BlackRock – die führende Schattenbank, ihre Praktiken und deren Folgen

Text: Werner Rügemer

Inhaltsverzeichnis


Die BlackRock Corporation ist derzeit Aktionär, also Miteigentümer von 18.000 Banken, Unternehmen und Finanzdienstleistern, vor allem in den USA und Kanada, in der Europäischen Union und in westlich orientierten Ländern. Eine derartig zahlreiche gleichzeitige Präsenz eines einzigen Eigentümers hat es in der Geschichte des Kapitalismus noch nie gegeben.
Doch BlackRock ist nur die Spitze des aktuellen, neu entstandenen kapitalistischen Eisbergs. Die nächstgrößeren Kapitalorganisatoren dieser neuen Art sind Vanguard, State Street, Capital Group, Amundi, Wellington, Fidelity, T Rowe Price, Pimco, Norges. Im Folgenden steht BlackRock exemplarisch für diese derzeit bestimmenden Akteure des US-geführten westlichen Kapitalismus. Kleinere neue Kapitalakteure wie Private-Equity-Investoren („Heuschrecken“), Hedge-Fonds, Investmentbanken und Risikokapitalgeber gehören spätestens seit der Bankenkrise von 2007 ebenfalls zur aktuellen Phase des neu formierten Kapitalismus, haben aber keinen vergleichbaren Einfluss. 1


Hauptsitz in Delaware, der größten westlichen Finanzoase


BlackRock ist das Ergebnis einer langen Reihe von Deregulierungen in den USA, greift aber auch in das gesamte westliche Wirtschafts-, Finanz-, Steuer-, Medien- und Regierungssystem über.
BlackRock hat zwar seinen operativen Hauptsitz in New York und Niederlassungen in einigen Dutzend US-Bundesstaaten. Der rechtliche Hauptsitz des Unternehmens befindet sich jedoch in der US-Finanzoase Delaware.
Dieser winzige US-Bundesstaat mit weniger als einer Million Einwohner hat sich im 20. Jahrhundert zum führenden westlichen Finanzparadies entwickelt, zunächst für US-Unternehmen: Besonders niedrige Steuern auf Gewinne, geringe Offenlegungspflichten, die Gründung und Verwaltung von Briefkastenfirmen als Geschäftsfeld und ein äußerst „liberales“ Gesellschaftsrecht: Haftung und Transparenz sind beispielsweise im Vergleich zur klassischen Aktiengesellschaft besonders eingeschränkt. Angefangen hat dies in den 1920er Jahren der US-Konzern DuPont (Pharma, Rüstung, Autozulieferung): Er hatte und hat dort seinen Sitz und entzog sich so auch bei seiner weltweiten Expansion der öffentlichen Kontrolle und den Steuerzahlungen; außerdem kooperierte er z.B. in der Nazizeit mit dem deutschen Pharmakartell IG Farben.

Diese kapitalistischen Freiheiten werden seit Jahrzehnten auch von den meisten multinationalen Konzernen und Banken genutzt, nicht nur in den USA, sondern auch aus der EU, Asien (vor allem Hongkong), Lateinamerika, auch für jeweils hunderte von Tochtergesellschaften.
Die EU hat die Rechtmäßigkeit dieses Gesellschaftsrechts in ihrem Hoheitsgebiet anerkannt. Die Bundesrepublik Deutschland, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Betreiben der USA gegründet wurde, erkannte bereits im deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag von 1954 unter ihrem Gründungskanzler Konrad Adenauer an, dass US-Firmen in der Bundesrepublik nach dem Recht der Finanzoase Delaware agieren können. 2


Seit den 1990er Jahren: Deregulierungs-Gewinner


Die Freiheiten nach dem Recht von Delaware wurden kontinuierlich ausgeweitet und haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts über die USA hinaus weltweite Bedeutung erlangt.
In den 1980er Jahren begannen die Banker der Wall Street mit neuen Finanzprodukten und -praktiken, die dann unter der Präsidentschaft des „Demokraten“ William Clinton legalisiert wurden. So machte Laurence Fink, der spätere Gründer von BlackRock, in den 1980er Jahren bei der Bank First Boston zum Geschäftsmodell, einzelne Hypothekendarlehen (für den Kauf von Eigentumswohnungen und Häusern) zu bündeln und an Banken zu verkaufen, um sie in handelbare Wertpapiere umzuwandeln. Fink praktizierte dies zunächst bei einem der ebenfalls deregulierten neuen Finanzakteure, der Private-Equity-Firma Blackstone. 1988 machte er sich mit Blackrock (später BlackRock geschrieben) von Blackstone unabhängig: Aus dem kleinen schwarzen Stein wurde der große schwarze Felsen. 3
Blackrock & Co. unterlagen und unterliegen nicht den alten, nach der Finanzkrise 2008 erneuerten Bankenvorschriften. US-Präsident Obama machte BlackRock sogar zum Berater bei der Bewältigung der Finanzkrise: Als Berater der US-Notenbank entschied Blackrock mit über das Schicksal insolventer Banken, Versicherungen und Konzerne: Wer wird auf Staatskosten gerettet, wer nicht? Dabei schoss das eigene Geschäftsvolumen von BlackRock in die Höhe.
Die EU zog nach, und mit Mario Draghi, bis 2020 Chef der Europäischen Zentralbank, der von Goldman Sachs kam, wurde BlackRock auch Berater der EZB. BlackRock ist Großaktionär bei Goldman Sachs, wie in allen großen US-Banken. Im Jahr 2020 erhielt BlackRock auch einen Beratungsvertrag mit der Europäischen Kommission für ESG (Umwelt, Soziales, Governance). 4


BlackRock: Größte „Schattenbank“


BlackRock & Co gelten trotz bankähnlicher Geschäfte gesellschaftsrechtlich nicht als Banken. Die Weltbank, die Zentralbanken und die G7-Länder betrachten BlackRock und Co. offiziell immer noch als „Schattenbanken“. Bis heute stehen sie unreguliert „unter Beobachtung“ in der Zentralbank der Zentralbanken, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, mit Sitz in Basel/Schweiz), die von der Federal Reserve Bank dominiert wird. 5 Durch ihre Lobby haben BlackRock & Co. erreicht, dass westliche Regierungen die Regulierung immer wieder aufschieben. 6
BlackRock & Co erhalten ihre Macht durch das Kapital, das sie von Unternehmern, Unternehmensstiftungen, Banken, Versicherungen, Pensionsfonds bekommen. Eine immer wichtigere Gruppe von Kapitalgebern sind die Superreichen, Multimillionäre und Multimilliardäre, deren Zahl mit der Deregulierung sprunghaft ansteigt: Sie werden als High Net Worth Individuals (HNWI) und Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI) bezeichnet.
BlackRock verfügt gegenwärtig über 10 Billionen Dollar und verdient selbst an Gebühren, Provisionen und eigenen Geschäften, fungiert aber im Wesentlichen als gesetzlicher Vertreter und Geschäftsführer der Kapitalgeber. Für sie alle garantiert BlackRock aufgrund seiner größeren Freiheiten auch höhere Renditen als bisherige Vermögensverwalter, traditionelle Banken und Unternehmen.


Wie die US-Regierungen BlackRock großmachen


Die Wall Street und die neuen Kapitalorganisatoren unterstützten in den USA seit den 1990er Jahren mehrheitlich die Demokratische Partei: Mit Präsident William Clinton hatte es begonnen, mit Barack Obama und Joseph Biden ging es weiter. Durch deren Deregulierungen wurden BlackRock & Co. mächtig. Deshalb war BlackRock-CEO Fink im Gespräch, unter der möglichen Präsidentin Hillary Clinton Finanzminister zu werden.
Aber auch der Republikaner Donald Trump war kein Gegner BlackRocks, im Gegenteil. Als der Anti-Wall-Street-Agitator Trump die Wahl 2016 gewann, senkte er die Steuern für Unternehmen und gewährte ihnen gleichzeitig noch höhere staatliche Subventionen. Da erklärte Fink: „Trump ist gut für Amerika. “ 7
Präsident Obama hatte BlackRock die Abwicklung der Finanzkrise 2008 anvertraut und BlackRock-Manager in die Regierung geholt. Ähnliches tat auch Biden, seit 2021 im Amt:

*Der Leiter der globalen Abteilung für nachhaltiges Investieren von BlackRock, Brian Deese, wurde Chef des Nationalen Wirtschaftsrates.

*Wally Adeyemo war als Chefberater von US-Präsident Obama für internationale Wirtschaftsbeziehungen tätig, kam dann als Kanzleichef von Fink zu BlackRock, ist seit 2014 Präsident der Obama-Stiftung; er wurde stellvertretender Finanzminister unter Biden.

*Michael Pyle war unter Obama für die internationalen Finanzbeziehungen im Finanzministerium zuständig. Dann wurde er Leiter der globalen Anlagestrategie bei BlackRock, danach Chefökonom von Vizepräsidentin Kamala Harris.
*Biden selbst war von 1973 bis 2009 Senator für den Bundesstaat Delaware. Er trug dazu bei, Delaware zur weltweit wichtigsten Finanzoase für Unternehmen und Investoren zu machen – und damit zu einem Werkzeug für BlackRock & Co. BlackRock ist also mehr denn je aktiver Teil von „America First“.


Die neue Macht der unsichtbaren Kapitalisten


Spätestens seit der Finanzkrise 2008 haben BlackRock & Co auch die traditionellen Großbanken abgelöst: Die unregulierten Schattenbanken sind nun die Eigentümer selbst der regulierten Großbanken, also von Goldman Sachs, JP Morgan usw., aber auch z.B. aller großen Digitalkonzerne wie Amazon, Google, Apple, Microsoft, Meta/Facebook, Intel, Nvidia. Gleichzeitig ist es BlackRock & Co gelungen, in der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt zu bleiben.
BlackRock vereint die folgenden Merkmale und Praktiken:
*Ultraliberale Unternehmensverfassung nach den Gesetzen der Finanzoase Delaware
– Status als unregulierte „Schattenbank“
*Das einzigartige Volumen des eingesetzten Kapitals, derzeit 10 Billionen Dollar
*Die einzigartige Insider- und Monopolstellung als gleichzeitiger Großaktionär bei 18.000 Unternehmen, Banken, Finanzdienstleistern, in jeweils den größten derselben Branchen (Digital, Auto, Öl, Kohle, Rüstung, Chemie, Pharma, Fracking, Finanzen)
*Die beratende Funktion bei wichtigen Regierungen, bei der US-Notenbank Federal Reserve, bei der EZB und bei der Europäischen Kommission
*mit ALADDIN, dem größten Sammel- und Analysesystem der westlichen Welt für finanzielle, wirtschaftliche und politische Daten
*ein System von hochbezahlten Einflussagenten in wichtigen Ländern wie den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Mexiko und der Schweiz
*Integration in „America First“-Netzwerke der Politik, Medien, Ratingagenturen, Beratungskonzerne, Geheimdienste und des Militärs. So ist BlackRock beispielsweise Aktionär des führenden westlichen liberalen Medienunternehmens, der New York Times, aber auch des Wall Street Journal, der US-“BILD-Zeitung“ USA Today und in den fünf größten TV-Sendern.
Es ist diese Kombination, die Macht schafft:

*hard power: Militär

*strong power: Kapital

*soft power: Regierung, Medien, Stiftungen, fake production, Unterhaltung.

Daraus wird deutlich, dass es im Kapitalismus für die Ausübung von Macht nicht ausreicht, einfach nur reich oder superreich, Multimillionär oder Multimilliardär zu sein. Entscheidend ist vielmehr die Mehrfachpräsenz in Unternehmen, Banken, Finanzinstituten, Regierungen, Leitmedien, Beratungsfirmen und die vielgestaltige systemische Mehrfachvernetzung.


Gleichzeitiges Mehrfacheigentum: Beispiel Wirecard


In „kritischen“ Kreisen wird oft behauptet, dass BlackRock & Co. keinen so großen Einfluss haben können, weil sie immer nur 3 oder 5 oder höchstens 10 Prozent der Aktien besitzen. Dies war auch das Argument des ehemaligen Cheflobbyisten von BlackRock in Deutschland, des CDU-Politikers Friedrich Merz.
Doch BlackRock ist mit dem nächsten Dutzend ähnlicher Kapitalorganisatoren durch Überkreuzbeteiligungen verflochten und berät sich mit ihnen bei Entscheidungen in den gemeinsamen Unternehmen. Und dann gibt es noch die Mehrfach-Eigentümerschaft an einem Unternehmen, bei dem BlackRock & Co. die entscheidenden Aktionäre sind.

Nehmen wir das Betrugsunternehmen Wirecard, das seit mehreren Jahren Gegenstand eines immer noch ungeklärten Skandals in Deutschland ist. Bundestagsabgeordnete und führende staatliche und private Medien prangern Finanzminister Scholz, die Finanzaufsicht Bafin und die Wirtschaftsprüfer Ernst&Young (EY) scharf an, weil sie den milliardenschweren Betrug dieses Finanzdienstleisters über Jahre hinweg nicht aufdecken konnten.
Aber niemand fragt: Wer sind eigentlich die Eigentümer von Wirecard? Richtig, *BlackRock war die längste Zeit Aktionär mit 5 Prozent und damit drittgrößter Anteilseigner. Aber BlackRock ist gleichzeitig viel mehr:
*BlackRock ist Anteilseigner an den anderen Großaktionären von Wirecard, z.B. Goldman Sachs,
*BlackRock ist Aktionär bei Wirecards größten Kreditgebern, der Commerzbank, der Société Générale und der Deutschen Bank,

*und BlackRock ist Anteilseigner der Ratingagentur Moody’s, die die Kreditwürdigkeit und die Kreditbedingungen von Wirecard ermittelt hat. 8
Diese faktische Mehrfachpräsenz von BlackRock & Co ist für das Funktionieren des heutigen Kapitalismus ebenso wichtig wie ihre öffentliche Unsichtbarkeit.


Netzwerk mit Einfluss-Agenten


BlackRock unterhält bezahlte Einflussagenten in allen wichtigen Staaten: Dies sind führende Personen aus Regierungen, politischen Parteien, Unternehmen, Zentral- und anderen Banken. Diese Personen erhalten hochbezahlte Beraterverträge und Sitze in den Vorständen von Unternehmen, an denen BlackRock als Großaktionär beteiligt ist.
*Laurence Fink, der Vorstandsvorsitzende von BlackRock, agiert (oder agierte) selbst als Einflussagent:
– Mitglied im Wirtschaftsrat von US-Präsident Donald Trump
– Direktor im Council on Foreign Relations (CFR)
– Referent beim Weltwirtschaftsforum in Davos
– Persönliche Treffen mit Staatsoberhäuptern, Regierungen und Konzernen
– Lobbybüro in Washington, Spender für beide politischen Parteien in den USA
– Lobby-Büro in Brüssel.
*Friedrich Merz, Ex-Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag: Partner der US-Wirtschaftskanzlei Mayer Brown, bis 2020 Vorsitzender des Aufsichtsrats der BlackRock Deutschland AG.
*Michael Rüdiger, Ex-Chef der Dekabank Deutsche Girozentrale, im Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG: Nachfolger von Merz bei der BlackRock Deutschland AG.
*Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Mitglied des Präsidiums des CDU-Wirtschaftsrates und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken: Mitglied des Aufsichtsrates des größten deutschen Wohnungsunternehmens Vonovia, bei dem BlackRock Großaktionär ist.
*Cherryl Mills, ehemalige Stabschefin von Hillary Clinton im Außenministerium: Mitglied des Aufsichtsrates von BlackRock.
*George Osborne, ehemaliger Finanzminister der britischen Tory-Regierung, Herausgeber der Zeitung The Evening Standard: BlackRock-Berater mit einem Vertrag über 650.000 Pfund pro Jahr.
*Philipp Hildebrand, ehemaliger Präsident der Schweizerischen Nationalbank: Leiter des europäischen Hauptsitzes von BlackRock in London.
*Jean-Francois Cirelli, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der größten französischen Energieunternehmen GDF/Suez/Engie: Leiter von BlackRock Frankreich.
*Marco Antonio Slim Domit, Sohn des reichsten Mexikaners, Carlos Slim: Mitglied des Aufsichtsrats von BlackRock.


Wie erwirtschaftet BlackRock die Supergewinne?


Durch seine weithin unregulierte Machtposition erzielt BlackRock höhere Gewinne als traditionelle Unternehmen, Banken und Vermögensverwalter. 9
BlackRock & Co sind in jeweils etwas unterschiedlicher Zusammensetzung die führende Aktionärsgruppe bei den wichtigsten Unternehmen derselben Branchen, also gleichzeitig bei den wichtigsten Banken, Pharma-, Öl-, Fracking-, Agrar-, Automobil-, Logistik-, Airline-, Rüstungs- und Digitalkonzernen, also in den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und der Schweiz usw..
Das bedeutet einerseits eine neue Art von Monopolbildung, wenn z.B. BlackRock, Vanguard, State Street&Co gleichzeitig in wechselnder Zusammensetzung die neuen Großaktionäre der wichtigsten Wall-Street-Banken sind, z.B. in Deutschland gleichzeitig Großaktionäre der beiden größten Banken, nämlich der Deutschen Bank und der Commerzbank. Oder so: BlackRock & Co sind, wiederum in wechselnder Zusammensetzung, gleichzeitig bestimmende Aktionäre an den 40 DAX-Unternehmen in Deutschland, an den 40 CAC-Unternehmen in Frankreich und an den 500 S&P-Unternehmen in den USA.

Diese Art der Monopolbildung wird von keinem der überholten Kartellgesetze der westlichen Länder erfasst.


Fusionen und Übernahmen


Eine andere Form der Monopol- oder Oligopolbildung sind Fusionen und Übernahmen. BlackRock & Co können dies umso leichter tun, als sie gleichzeitig Miteigentümer der wichtigsten Unternehmen derselben Branche sind, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
So waren BlackRock & Co die Hauptaktionäre der beiden Chemieunternehmen Bayer in Deutschland und Monsanto in den USA. Die größten Aktionäre von Bayer während der Monsanto-Übernahme 2016 – 2020 waren, in dieser Reihenfolge: BlackRock, Sun Life Financial, Capital World, Vanguard, Deutsche Bank. Die größten Anteilseigner von Monsanto waren, in etwas anderer Reihenfolge: Capital World, Vanguard, BlackRock, State Street, Fidelity, Sun Life Financial. Gleichzeitig ist BlackRock auch ein Aktionär der Deutschen Bank.
So entstand der weltgrößte Agrochemiekonzern, der die Marktführerschaft bei Saatgut, Herbiziden (z.B. Glyphosat), Pestiziden, Agrarpatenten und globalen Daten über Landwirte, Agrarunternehmen und Agrarmärkte vereint. Und natürlich sind BlackRock & Co auch Großaktionäre bei anderen Agrar- und Chemieunternehmen wie BASF, LG Chem (Südkorea), Akzo Nobel (Niederlande) sowie Pfizer, DowDupont, John Deere und Cargill (USA).


Robotisierte Spekulation: ALADDIN


BlackRock & Co sind die führenden Aktionäre der großen Digitalkonzerne Google, Amazon, Apple, Microsoft, Meta/Facebook und vieler anderer, sobald diese ihren Erfolg stabilisieren. Das gilt auch für Unternehmen aus der Automobil- und Logistikbranche, die selbstfahrende Autos, Lastwagen und Lieferdrohnen mit künstlicher Intelligenz entwickeln, wie zum Beispiel Tesla. Dies gilt natürlich auch für Rüstungsunternehmen.
Die Corona-Pandemie-Politik der westlichen Regierungen hat die Expansion digitaler Unternehmen sprunghaft vorangetrieben, nicht zuletzt durch Regierungsaufträge in den Bereichen Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung und Regierungskommunikation. BlackRock & Co. sind die ersten, die davon profitieren.
Die Digitalisierung mit Hilfe von KI hält auch im Finanzwesen Einzug. BlackRock & Co warten nicht wie traditionelle Aktionäre ängstlich auf die am Jahresende beschlossene und ausgezahlte Dividende. Die nehmen sie zwar auch, aber das viel lukrativere Geschäft ist die Spekulation mit den Aktien, die das ganze Jahr über läuft. Jede Bewegung im Wert der Aktie – nach oben oder unten – wird zur Spekulation genutzt.
Der Vorteil, dass BlackRock der größte Insider der westlichen Wirtschaft ist, wird durch seine Tochtergesellschaft ALADDIN (Asset Liability and Debt Derivative Investment Network) noch verstärkt: Dies ist die größte Sammel- und Verwertungseinrichtung für Finanz-, Wirtschafts- und Politikdaten. Im Nanosekundenbereich werden die Werte aller Aktien und anderer Wertpapiere an allen Börsen der Welt gleichzeitig erfasst, miteinander verglichen und bewertet, gekauft, verkauft – und dies weitgehend robotisiert. Durch zusätzliche Käufe und Verkäufe, verstärkt durch Leihaktien, können Auf- und Abwärtsbewegungen von Wertpapieren beschleunigt und für Spekulationen genutzt werden – schneller und profitabler als von Konkurrenten und Kleinspekulanten.

Wenn zum Beispiel eine Aktie aufgrund von Skandalen ständig steigt und fällt, wie bei Wirecard, oder bei einer sich über Jahre hinziehenden Fusion wie bei Bayer/Monsanto – dann ist dies das ideale, gewinnbringende Geschäftsfeld für BlackRock.
Werden dabei nationale Meldegesetze – in Deutschland z.B. das Wertpapierhandelsgesetz – verletzt, sind Finanzaufsichtsbehörden wie die Bafin weder technisch noch personell in der Lage, die notwendige Kontrolle auszuüben. 10


Beihilfe zur weltweiten Steuerflucht


Ein Teil der höheren Rendite für die Kapitalgeber beruht auf der von BlackRock organisierten bzw. ermöglichten Steuerflucht zugunsten der vermögenden Kapitalgeber.

So werden beispielsweise die von BlackRock vertretenen 5 Prozent der Aktien des Braunkohleunternehmens RWE auf 154 Briefkastenfirmen in einem Dutzend Finanzoasen zwischen Delaware, den Cayman Islands in der Karibik und Luxemburg verteilt. Die Briefkastenfirmen tragen Namen wie BlackRock Holdco 6 LLC.

Auf diese Weise werden die eigentlichen wirtschaftlich Berechtigten, die superreichen Anleger, anonymisiert und vor Finanz- und Börsenaufsichtsbehörden, Finanzämtern, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit unsichtbar gemacht: organisierte Verantwortungslosigkeit. Zudem verarmt dies die betroffenen

Staaten weiter, die öffentliche Infrastruktur verfällt. Gleichzeitig bauen BlackRock & Co. die private, teurere Infrastruktur weiter aus: Gesundheitssysteme, Hochschulen, Alten- und Pflegeheime, Transporte.


Niedriglöhne, Gewerkschaftshass, Mieten, privatisierte Renten


BlackRock, als gleichzeitiger Aktioinär der vier größten Wohnungsunternehmen in Deutschland – Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, Grand City Properties – fördert die Steigerung von Mieten und Nebenkosten.
BlackRock profitiert von Niedriglöhnen in nationalen und globalen Lieferketten – bei Amazon und Apple ebenso wie bei VW, BMW, Mercedes, Ford, General Motors, Tesla, fördert prekäre Arbeitsbedingungen auch in den wohnungswirtschaftlichen Tochtergesellschaften der von BlackRock&Co. kontrollierten Wohnungsunternehmen.
BlackRock lobbyiert über seine Einflussagenten bei der EU und den Regierungen für privatisierte Renten – die der Staat auch steuerlich subventionieren soll – mit Hilfe des Finanzprodukts ETF (Exchanged Traded Funds), einer Art „Volksaktie“, bei der BlackRock vor Vanguard den Weltmarkt anführt. 11


Umweltzerstörung, Aufrüstung und neue Kriege


BlackRock ist Anteilseigner der großen Kohle-, Braunkohle-, Öl-, Fracking-, Pharma-, Agrar- und Automobilkonzerne in den USA und in der EU. Die hohen Gewinnentnahmen von BlackRock verhindern die notwendigen Innovationen in Verkehr, Energie und Umwelt und gefährden das Überleben der Menschheit. Neu aufgelegte Umweltfonds sind nur eine vergleichsweise sehr kleine Ergänzung, während weiterhin ungleich größere Beteiligungen an fossilen Energiekonzernen gehalten werden. Zugleich werden für die e-Mobilität, Digitalisierung und KI global noch mehr Ressourcen, Rohstoffe und Energie benötigt.
BlackRock, Vanguard & Co sind auch die größten Anteilseigner an den führenden Rüstungskonzernen in den USA und der EU – einschließlich derjenigen, die an der Produktion von Atombomben beteiligt sind: Boeing, Lockheed, Northrop, General Dynamics, Raytheon (USA), BAE (Großbritannien), Rheinmetall (Deutschland), Leonardo (Italien) und andere. BlackRock & Co nutzen Aufrüstung, militärische Interventionen und Kriege der USA und der EU-Staaten als Profitquelle und erhöhen die globale Kriegsgefahr.
Ende 2022 wurde BlackRock mit Zustimmung der US-Regierung offizieller Koordinator für den „Wiederaufbau“ der Ukraine – während BlackRock & Co. schon mit dem Krieg extreme Gewinne machen, die umso höher sind je länger der Stellvertreterkrieg der Ukraine dauert. Und umso höher sollen die Gewinne für den Wiederaufbau sein.


Corona-Pandemie: Beschleunigter Aufbau privater Weltmacht


BlackRock-Chef Fink ist seit einigen Jahren der anerkannte Wortführer auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF, Davos) für die „Erneuerung“ des Kapitalismus, insbesondere in Umwelt- und Klimafragen (Great Reset of Capitalism). Fink ist auch Mitglied im Leitungsgremium des WEF.
Fink stellt richtig fest, dass die Regierungen des Westens die Erwartungen ihrer Bevölkerungen zunehmend nicht erfüllen. Als Alternative geht es Fink & Co jedoch nicht um die Demokratisierung von Staaten, etwa um die Erhebung von Steuern, die Förderung von Arbeitseinkommen im Einklang mit den Menschenrechten und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur.
Vielmehr, so Fink als Starredner des WEF: Die Alternative ist der Aufbau einer neuen privaten Machtstruktur, in deren Zentrum multinationale Privatunternehmen und private Stiftungen stehen. Die „Corona“-Maßnahmen sollen dabei als Beschleuniger dienen. „Der Neoliberalismus hat ausgedient“, schreibt der Gründer des WEF, Klaus Schwab, aber Revolutionen und Aufstände sollen verhindert werden.12
Das geltende Völkerrecht, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte einschließlich der Sozial- und Arbeitsrechte, der UN-Mehrheitsbeschluss zum Verbot von Atomwaffen, die UN-Konventionen etwa zu den Rechten von Flüchtlingen, Kindern und Wanderarbeitern und zur sanktionierbaren Verantwortung von Unternehmen in globalen Liefer- und Produktionsketten (Binding Treaty) – all das erwähnen Fink, Schwab & Co in ihrem neuen Wertekanon nicht.

Greenwashing


Ein grüner neuer Kapitalismus soll alle Verstöße gegen Völkerrecht, Menschenrechte und Demokratie reinwaschen: Greenwashing. Westliche Regierungen und internationale Institutionen wie die Weltbank, die UN und die Europäische Kommission sollen dabei helfen. 13BlackRock berät auch die Federal Reserve Bank und die Europäische Zentralbank bei ihren Billionen-Dollar/Euro-Corona-Rettungsprogrammen und beim Green New Deal.
BlackRock & Co wollen einen neuen grünen Kapitalismus. Der neue Wertekanon heiß ESG: Einvironment, Social, Government.

*Environment ist „Umwelt“, das steht an erster Stelle.

*Social – das bleibt nebulös, die Arbeits- und Sozialrechte der UNO und der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sind nicht gemeint.

*Governance: Das bedeutet Regieren durch die Unternehmen.

Zu diesem Zweck werden viele neue Umwelt-Fonds aufgelegt. Sie sind jedoch vergleichsweise klein. Im Wesentlichen sind BlackRock & Co weiterhin die Haupteigentümer des fossilen Kapitalismus, d. h. der Öl-, Bergbau-, Fracking-, Automobil-, AgroBusiness-, Pharma- und Rüstungskonzerne, die ein globales Netz von Subunternehmern unterhalten und ungestraft Menschenrechte verletzen und Rohstoffe mit hohen Umwelt- und Wasserschäden aus armen Staaten herausholen.

Steuerflucht, Schrumpfung der Volkswirtschaften, Verhinderung notwendiger Innovationen für die Umwelt etwa für öffentlichen Verkehr, Verarmung der Staaten und nicht zuletzt: schwindende politische Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung für die mitschuldigen Regierungen und bisherigen Regierungsparteien: Fossiler Kapitalismus in mehr als einer Hinsicht.


China gewinnt den Systemvergleich, der Westen rüstet auf


Armut in den Kolonien, in den neokolonial ausgebeuteten Regionen Afrikas und Lateinamerikas und zunehmend auch in der eigenen Mehrheitsbevölkerung, einschließlich der Mittelschichten der reichen Metropolen – das haben die westlichen Kapitaldemokratien lange praktiziert, am brutalsten die USA.
Doch mit der Volksrepublik China ist in nur wenigen Jahrzehnten eine Alternative entstanden: Die inzwischen größte Volkswirtschaft und Handelsnation der Erde hat im Gegensatz zum kapitalistischen Westen und den von ihm abhängigen Entwicklungsländern wie Indien und Brasilien viele Millionen feudal, kolonial und kapitalistisch verarmter Menschen in eine nachhaltige Aufwärtsentwicklung gebracht. In China steigen die Arbeitseinkommen der Mehrheit und der Mittelschicht achhaltig, die Zahl der sozialversicherten Menschen bei Arbeit, Gesundheit, Rente nimmt zu (im Unterschied zum Westen), die Infrastruktur für Wohnraum, neue Städte, öffentlichen Verkehr, Bildung wird ausgebaut.
Zu dieser innerstaatlichen Entwicklung kommt die integrative Globalisierung: Auf allen Kontinenten, auch z.B. in einer wachsenden Zahl von Staaten der EU, wächst die Zustimmung zu den vielfältigen Investitionen der Neuen Seidenstraße. Diese Art der Globalisierung geht, und das ist ein systemischer Unterschied, mit der Achtung des Völkerrechts einher: ohne militärische Begleitung, ohne einen globalen Ring von Militärbasen, ohne ständig vor fernen Küsten patrouillierende Großkampfschiffe, ohne verdeckte oder offene militärische Interventionen.
China gewinnt den Systemwettbewerb. Dagegen sieht der wirtschaftlich, technologisch und politisch rückläufige Westen unter Führung der USA – zumindest bisher – in der Aufrüstung gegen China und seine wichtigsten Kooperationspartner Russland und Iran den wichtigsten Ausweg. 14
Gleichzeitig setzen BlackRock & Co ihre Bemühungen fort, sich an führenden chinesischen Unternehmen zu beteiligen und Lizenzen für Finanzgeschäfte in China zu erhalten. Dabei akzeptieren sie staatliche Vorschriften, gegen die sie im Westen ankämpfen. Der Kampf der Systeme ist vielschichtig und noch lange nicht entschieden.


Dr. Werner Rügemer, Köln-Köln, interventionistischer Philosoph, letztes Buch: Verhängnisvolle Freunschaft. Wie die USA Europa eroberten, zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg, Köln 2024. www.werner-ruegemer.de

  1. Zu Typologie, Praktiken und Konsequenzen siehe Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Ein leicht verständlicher Abriss über den Aufstieg der neuen Finanzakteure, 4. Auflage, Köln 2024[]
  2. Deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag vom 29. Oktober 1954; bestätigt durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2003 VIII 155/02[]
  3. Siehe Werner Rügemer: BlackRock & Co. enteignen! Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht. 3. Auflage, Frankfurt/Main 2023[]
  4. Neue Ordnung aus Brüssel: Bestimmt BlackRock bald die EU-Klimapolitik? Deutsche Wirtschaftsnachrichten 5. Mai 2020[]
  5. Adam Lebor: Der Turm von Basel. Die schattenhafte Geschichte der geheimen Bank, die die Welt regiert. New York 2013, S. 252 ff.[]
  6. International Monetary Fund: What’s Shadow Banking? Viele Finanzinstitute, die wie Banken agieren, werden nicht wie Banken beaufsichtigt, in: Finanzen und Entwicklung Juni 2013, S. 42 f.[]
  7. BlackRock-Chef Larry Fink lobt Trumps Steuersenkungen, bbc.com/news/av/business-42830383, 26. Januar 2018[]
  8. Werner Rügemer: Betrugsunternehmen Wirecard am Pranger – wo aber bleibt BlackRock? www.nachdenkseiten.de 4. September 2020[]
  9. Siehe insbesondere die Anklageschrift, die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen und das Urteil im Tribunal gegen BlackRock in Berlin am 26. und 27. September 2020; www.blackrocktribunal.de[]
  10. Siehe Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, S. 16 ff.[]
  11. George Osborne soll für 4 Tage im Monat 650.000 bei BlackRock verdienen, Financial Times vom 8. März 2017[]
  12. Klaus Schwab/Thierry Malleret: The Great Reset, Genf 2020[]
  13. Zu den völkerrechtlich und menschenrechtlich orientierten Alternativen und Gegenbewegungen siehe www.blackrocktribunal.de[]
  14. Siehe das Vorwort zur 4. deutschen Auflage von Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, Köln 2021[]