BlackRock in Argentinien: Ein Land im Würgegriff

Redemanuskript: Gaby Weber (27.09.2020)

Als im Dezember Alberto Fernández in den Präsidentenpalast in Buenos Aires einzog, stand das Land am Rande des Bankrotts. Sein Vorgänger, der konservative Mauricio Macri (Sohn eines der reichsten Unternehmer), hatte sich auf dem internationalen Kreditmarkt und beim IWF verschuldet (beim IWF kennen wir wenigstens die Zahlen: 56 Mrd. Dollar – der größte in der Geschichte des IWF). Niemand wusste, woher die neue Regierung das Geld für die Zinsen geschweige denn die Rückzahlung nehmen sollte. Klar war nur – und das war noch vor Corona – dass das Land pleite war.

Noch zu Macris Zeiten – im Mai 2018 – konnten die Lebacs nicht mehr bedient werden. Dank Blackrock und Templeton, die die Obligationen Botes aufkauften, wurde der Bankrott abgewendet. Die Märkte nahmen das Heft selbst in die Hand, setzten durch, dass Gustavo Canonero Vizepräsident der Zentralbank wurde, er kam von Templeton. BlackRock wollte keine Überraschungen mehr. „Insiderwissen“ wäre der strafrechtliche Begriff dafür.

Macri hatte kurz zuvor das Dekret 29 erlassen, wonach sich die Regierung verpflichtet, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit gegen die Pfändung der Naturvorkommen keinen Einspruch einzulegen. (Naturvorkommen gehören laut Verfassung den Provinzen). Also Aufgabe eines Standards im Völkerrecht: die hoheitliche Immunität einer Regierung in ihrem Staatsgebiet. Und Angriff auf die verfassungsmäßig garantierte körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Leben.

(Zur Erinnerung: 1902 bombardierten britische, deutsche und italienische Kriegsschiffe Venezuela, weil die Regierung den Schuldendienst nicht mehr bedient hatte. Allein die Berliner Diskonto Gesellschaft forderte 6 Mio. Ch-Franken. Es entwickelte sich ein diplomatisches Hin und Her, der argentinische Außenminister Drago verteidigte die Interessen eines Schuldnerlandes, es entstanden internationale, private Schiedsgerichte, heute ICSID – Weltbank. Diese entscheiden immer für die Investoren, offen bleibt aber die Frage der physischen Eintreibung der Schulden, daher die Wichtigkeit des argentinischen Dekrets 29)

Heutzutage verschulden sich die Staaten durch Ausgabe von Anleihen, nicht durch direkte Kredite. Deshalb wusste die neue Regierung nicht, wem sie Anfang dieses Jahres was schuldet. Kein Gesetz zwingt Investoren, über ihre Anlagen Auskunft zu erteilen. Deshalb nahm die Fernández-Regierung erst einmal die Firma Morrow Sodali unter Vertrag, um herauszufinden, wer Besitzer der argentinischen Schuldtitel sei, so die Tageszeitung „Página 12“. Das ist inzwischen klar, es ist der Finanzriese BlackRock, und Larry Fink war Freund von Macri. Er hält mindestens 1,6 Milliarden Dollar des Schuldenpakets, laut Bloomberg, andere Quellen sprechen von weit über 2 Milliarden. Aber auch das ist völlig unklar. Auf jeden Fall leitet BlackRock die Gläubigergruppe, die mit dem argentinischen Finanzministerium über Rückzahlung verhandelt. Präsident Fernández hatte seinen mexikanischen Amtskollegen López Obrador gebeten, seinen inzwischen guten Draht zu Fink auszunutzen, um den Argentiniern zu helfen. So wurde Gerardo Rodríguez Regordosa zum Verhandler für die Argentinische Auslandsschuld bestimmt.

Laut Pressemitteilung soll man sich im August geeinigt und kleinere Schuldenschnitte und lange Fristen vereinbart haben. Doch der Vertrag ist nach wie vor geheim, nicht mal dem Senat liegt er vor. Das widerspricht den Gepflogenheiten des argentinischen Parlamentarismus, und auch die Öffentlichkeit wurde bislang nur mit Verlautbarungen abgespeist. BlackRock gibt keine Interviews und unterhält in Buenos Aires nicht einmal ein Büro, wo man klingeln und um Informationen bitten könnte.

Ob und wie viel die Gläubiger von den Argentiniern in Form von Geld zurückbekommen werden, steht in den Sternen und ist vielleicht gar nicht so wichtig. Von strategischer Bedeutung ist die Abhängigkeit, denn die Schulden nehmen dem Land jegliche Planungsmöglichkeiten.

Zwei Dutzend traditionelle argentinische Unternehmen, darunter die Erdölgesellschaft YPF (ein gemischtes Unternehmen), sind an US-Börsen gelistet. Und praktisch alle US-Vermögensverwalter haben in sie investiert. Wie viele Anteile sie halten, weiß in Buenos Aires nicht einmal der Wirtschaftsminister, über die ausgeübten Stimmrechte in den Aktionärsversammlungen war diese Frage nicht zu beantworten. In Argentinien sind Inhaberaktien üblich, wie in Europa, im Gegensatz zur USA, die Namensaktien kennen und auf diese Weise wissen, welche Anteil ein Ausländer an einem strategischen Betrieb hält. In Wallstreet werden die Anteile argentinischer Aktiengesellschaften über ADR gehandelt, die American Depository Receipts, Zertifikate einer US-Bank, die Aktien eines ausländischen Unternehmens in ihrem Depot verwahrt und an US-Investoren verkauft, ohne deren Identität preisgeben zu müssen.

Der Bundesregierung –ohne dass bislang dort Herr Merz sitzt – ist es gleichgültig, wer in deutsche Unternehmen investiert hat. Die NZZ schätzte, dass nur noch 18 % der eidgenössischen Firmen in heimischer Hand seien. Das Schweizer Wirtschaftsministerium wollte das vor einem Jahr herausfinden und kam nur auf eine Schätzung, da BlockRock und Co. die Meldepflicht von 3 % unterlaufen, indem sie ihren Besitz auf Scheinfirmen streuen. Weniger als die Hälfte ist noch in Schweizer Besitz.

Der wichtigste Wirtschaftszweig Argentiniens ist das Agrobusiness. Auch hier sind die Besitzverhältnisse unklar. Heute werden über 20 Millionen Hektar mit genmodifizierten Soja angebaut, das Land ist in den Händen von Aktiengesellschaften, sociedades anónimas, und die Aktien halten Firmen mit Sitz in einem Finanzparadies.

Den Markt mit Saatgut und Pestiziden beherrschen Bayer, BASF, Dow, DuPont und ChemChina. BlackRock hat in alle Firmen (Ausnahme ChemChina) investiert. Diese Monopolstellung verhindert, dass Argentinien auf Pestizide und nicht genmanipuliertes Saatgut verzichtet oder Lizenzgebühren in Frage stellt. Präsident Fernández redet nicht einmal davon. Eine der dramatischten Folgen sehen wir derzeit: Trotz einer rigorosen Quarantäne seit über 6 Monaten weist das Land eine hohe Übersterblichkeit auf. Doch die Möglichkeit, dass dies auf die durch Pestizide geschädigten Immunsysteme zurückzuführen ist, wird in der Öffentlichkeit nicht diskutiert.

BlackRock hat bei der Übernahme von Monsanto durch Bayer die Fäden gezogen, auf allen Seiten. Sie wurde finanziert mit Geldern der Europäischen Zentralbank, wo sicher „rein zufällig“ BlackRock als Berater tätig ist. Es war ein denkbar schlechtes Geschäft für die Deutschen, was man vorher hätte wissen können, da schon vor der Übernahme zahlreiche Prozesse in den USA wegen Glyphosat anhängig waren.

Ich selbst habe Bayer auf Herausgabe ihres Due Diligence Reports – also die laut Aktiengesetz vorgeschriebene Risikoprüfung – verklagt und in zwei Instanzen verloren. Ich habe die Bundesbank – die für diese Anleihe-Aufkäufe mit EZB-Geldern verantwortlich war – um Auskunft über Umfang, Zinssatz und Risikobewertung gebeten. Die Antwort wurde verweigert, man unterliege nicht dem Informationsfreiheitsgesetz. Ich habe vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt Klage eingereicht. Aber das wird sich über Jahre hinziehen. Der im Grundgesetz garantierte Anspruch auf Informationszugang wird praktisch abgeschafft.